Das Unkraut im Zaum halten – Chemie oder mechanische Bodenbearbeitung?

Wohl jeder, der sich mit Gärtnern beschäftigt, hat sich schon mal übers leidige Unkraut geärgert. Es wuchert, vermehrt sich, wächst manchmal besser als die Setzlinge, die man so liebevoll in den Boden gebracht hat. Geduldiges Zupfen und Hacken sind im Garten die Mittel der Wahl – aber wie sieht das eigentlich in einer Obstanlage aus? Ein Obstbaum ist doch groß genug, um jedes Unkraut zu überragen – muss man zwischen Apfelbäumen überhaupt Unkraut entfernen?
Im Schutz hoher Gräser und Kräuter fühlen sich Wühlmäuse besonders wohl, und mit denen wiederum fühlen sich die Wurzeln der Bäume überhaupt nicht wohl. Das ist der Hauptgrund, warum Obstbauern den Boden zwischen den Bäumen immer wieder von Unkraut befreien. Zudem entziehen Gräser und Kräuter dem Boden Stickstoff und andere Pflanzennährstoffe – mit Unkrautbekämpfung oder auch gezieltem Wachsen-Lassen lässt sich der Nährstoffgehalt im Boden in einem gewissen Rahmen steuern und an den aktuellen Bedarf der Bäume anpassen.
Verschiedene technische und chemische Mittel stehen für die Beseitigung des Unkrauts zur Verfügung. Es gibt Mulchgeräte, die das Gras sehr kurz mähen und zerkleinern, dass es gut auf der Fläche verrotten kann. Fräsen wühlen den Boden auf, zerhäckseln das Unkraut und arbeiten es in den Boden ein. Fadengeräte schlagen es kurz über dem Boden ab, und ein Schälpflug schält die obersten Zentimeter des Bodens ab. Herbizide sind chemische Substanzen, welche die Pflanzen absterben lassen. Im ökologischen Landbau sind sie nicht erlaubt, und bei vielen Umweltschützern sind sie als Umweltgifte verpönt. Aber ist es wirklich so eindeutig, dass eine Landbewirtschaftung ohne Herbizide, mit ausschließlich mechanischer Unkrautbekämpfung, ökologischer ist?
Michael Buhl hat sich eingehend mit dieser Frage beschäftigt – er bewirtschaftet mit seiner Familie den Seeblickhof in Stockach-Wahlwies, zu dem ökologisch bewirtschaftete wie auch konventionelle Flächen gehören. Sein Standpunkt lautet: „Gerade aus ökologischer Sicht hat die chemische Unkrautbekämpfung ihre Vorteile. Denn jede mechanische Bodenbearbeitung stört das Bodenleben. Viele Wildbienen und andere Insekten legen ihre Eier in den Boden ab – wird dieser regelmäßig gepflügt oder gefräst, sterben die Eier ab, bevor sie schlüpfen können, während ihnen das Herbizid nicht unmittelbar schadet, denn erstens liegen die Insekteneier ja im Boden und sind hier vor einem direkten Kontakt mit dem Herbizid geschützt, und zweitens richtet es sich in seiner Wirkung ja gegen Pflanzen und nicht direkt gegen Tiere. Auch der Energieverbrauch ist ein wichtiger Faktor. Eine Fahrt durch die Anlage mit einem schweren Bodenbearbeitungsgerät braucht mehr Diesel als mit einer Spritze, und wenn ich ganz auf Herbizide verzichte, brauche ich mehr Fahrten, um das Unkraut in gleichem Maß in Schach zu halten. Auf unseren ökologischen Flächen verzichten wir natürlich wie gesetzlich vorgegeben vollständig auf Herbizide – auf den konventionellen Flächen scheint mir ein sparsamer Herbizideinsatz kombiniert mit einer ebenso möglichst sparsamen mechanischen Unkrautbekämpfung ökologisch am sinnvollsten.“
Aber was ist mit der Energie, die für die Herstellung der Herbizide benötigt wird? Und mit den Langzeitwirkungen, die chemische Substanzen im Boden nach sich ziehen? Diese Aspekte sind freilich nicht zu vergessen. Und doch: Die Frage, welche Maßnahmen am meisten nutzen und am wenigsten schaden, ist bei genauer Betrachtung weniger eindeutig zu beantworten als man auf den ersten Blick meinen möchte. Jede Maßnahme zum Schutz der Bäume hat auch ungewünschte Nebenwirkungen auf die Umwelt – ein kategorisches Ablehnen von Herbiziden schützt den Boden und seine Lebewesen also nicht unbedingt besser als ein besonnener Umgang mit allen Möglichkeiten der Unkrautbekämpfung.