Wunderwelt Boden

Manchmal hängt am frisch gekauften Gemüse noch ein Rest Erde – dann ist man meist schnell damit beschäftigt, sie abzuwaschen. Der nächste Erdbrocken an den Kartoffeln kann aber auch die Eingangstür in eine mentale Entdeckungsreise ins Erdreich sein. Schließlich sind die Kartoffeln in der Erde gewachsen, und ohne einen guten, fruchtbaren Ackerboden wären sie nicht so schön groß und nahrhaft geworden, wie sie sind. Was zwischen Pflanzenwurzel und Boden geschieht, ist ein Wunder der Natur, oder zumindest ein ziemlich komplexer biochemischer Vorgang.
Eine Kartoffel braucht wie jede Pflanze zum Wachsen Wasser, Stickstoff und diverse Mineralstoffe. Die Energie zum Aufbau ihrer Substanz kann sie im Gegensatz zu uns Menschen direkt aus der Sonnenstrahlung gewinnen. Der Boden besteht aus Sand und/ oder feineren mineralischen Partikeln wie Ton und aus abgestorbenen Tier- und Pflanzenresten, die im Lauf der Zeit zu Humus werden. An unterschiedlichen Orten kann sich ein Boden ganz unterschiedlich entwickeln. Verwitterung durch Frost und Hitze, wachsende und sterbende Pflanzen und Tiere, Wasser und Trockenheit, angeschwemmte oder angewehte Substanz geben dem Boden je nach Lage im Lauf von Jahren, Jahrtausenden, Jahrmillionen… seine ureigene Beschaffenheit. Ein wichtiger Faktor bei der Bodenentwicklung sind die Mikroorganismen: unzählige Bakterien, Pilze, Regenwürmer und andere Lebewesen sind mehr oder weniger kontinuierlich damit beschäftigt, Pflanzenreste zu verstoffwechseln, grobe Stängel und Wurzeln in feine Bodenbestandteile zu verarbeiten.
Eine lebendige Kartoffelpflanze entzieht dem Boden – diesem Misch-Masch aus mineralischen und organischen und lebendigen und toten Bestandteilen – Wasser und die Nährstoffe, die sie braucht. Voraussetzung für ein gutes Wachstum ist, dass Pflanzennahrung in ausreichender Menge vorhanden und für die Pflanze verfügbar ist. Düngen und Gießen sind direkte Gegenmaßnahmen, wenn ein Mangel herrscht. Doch gute Wachstumsbedingungen für die Kartoffel beginnen weit vor der Beregnungsanlage und dem Düngerstreuer.
Böden können sehr, sehr unterschiedlich sein, was ihre Fähigkeit angeht, Regenwasser aufzunehmen und zu speichern. Und sie können ein wohlig-lockeres Gefüge haben, in denen die Pflanzenwurzeln sich fein verzweigen und Mineralstoffe aus jedem Winkel herausziehen können – oder sie können fest komprimiert sein, so dass eine Pflanze Mangelerscheinungen zeigt, obwohl eigentlich genug Pflanzennährstoffe vorhanden sind. Sie sitzen aber einfach zu fest; die Pflanze kann sie nicht aufnehmen.
Ob ein Boden ein guter Ort für eine Kartoffel ist, oder ob er hart und widerspenstig ist, das liegt zum Teil am Standort. Manche Böden sind von Natur aus steinig, schwer, von unten feucht und wenig einladend – andere haben einen hohen Humusgehalt und eine gute Mischung verschiedener Körnungsgrößen, so dass sie lockerer und fruchtbarer sind. Doch auch die Bearbeitung durch den Menschen hat einen nicht zu verachtenden Einfluss auf die Qualität eines Bodens – im Guten wie im Schlechten. Schwere Traktoren können zu Verdichtungen führen; und wenn ein Acker zu oft abgeerntet wird, ohne dass eine reale Menge an Pflanzenresten in der Erde verbleibt, dann fehlt langfristig Humus und organische Substanz. Andererseits kann ein Landwirt auch viel tun, um die Bodenqualität Jahr um Jahr zu verbessern. Er kann verschiedene Pflanzen im Wechsel anbauen – eine Mischung aus Pflanzen mit tiefen Wurzeln und mit stark verzweigten Wurzeln kann den Boden langfristig lockerer machen. Das Verteilen von Mist und Kompost fördert die Humusbildung. Manche Landwirte arbeiten auch mit speziellen Fermenten wie Effektiven Mikroorganismen, die ein ausgewogenes Bodenleben fördern. Und alles, was ein Landwirt im großen Stil tut, kann natürlich auch jeder Hobbygärtner im eigenen Garten umsetzen.
Egal, ob Sie selbst ein Stück Garten pflegen oder nicht – vielleicht erinnert Sie ja der nächste Erdbrocken an der Kartoffel daran, dass die Erde nicht nur Dreck ist, den es abzuwaschen gilt, sondern auch ein wertvolles und höchst spannendes Universum.

Bildnachweis: Katja Brudermann