Zum Mai

Ein Maifeuer hat eine lange Tradition – und bis heute eine große Faszination. In vielen Städten und Dörfern kommen Menschen in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai zum Tanz am Feuer zusammen. Oft wird dabei ein Maibaum aufgestellt – ein im Wald geschlagener Baum, der geschmückt und auf dem Festplatz aufgestellt wird. Die heilige Walburga, die der Walpurgisnacht ihren Namen gab, war eine benediktinische Äbtissin, die um 700 n. Chr. in Devon geboren wurde und später das Kloster Heidenheim leitete. Die Geschichten um die Walpurgisnacht ranken jedoch weniger um eine heilige Äbtissin, sondern eher um wilde Hexen, die auf Besen reiten.
Im Jahreskreislauf steht der 1. Mai in der Mitte zwischen der Frühlings-Tag- und Nachgleiche am 21. März und der Sommersonnenwende am 21. Juni. Er steht für den Beginn der warmen Jahreszeit, und das überschwängliche Wachstum von Wiesen, Blüten und auch den vielen neu geborenen Tieren.
Ursprünglich wurde zum 1. Mai wohl die wilde Kraft der Natur gefeiert, was heute noch an den großen Maifeuern und den ungezügelten Maitänzen zu erahnen ist. Die wilde Natur lockte bei den Menschen wohl schon immer in gleichem Maß Furcht und Faszination hervor – beinhaltet sie doch die atemberaubende Schönheit einer unberührten Landschaft genauso wie die reale Gefahr durch steiles Gelände, Raubtiere und Unwetter. Landwirte sind deutlich näher dran an der Natur mit all ihren Facetten. Sie werden von Stadtmenschen gerne beneidet für ihren Arbeitsplatz an der frischen Luft – sie sind es aber auch, die durch einen Hagelsturm ihre Ernte verlieren können oder ein Kalb durch den Angriff eines Wolfs. Der Wonnemonat Mai ist sicher der dankbarste Monat, sich der Natur anzunähern – er lädt zu langen Spaziergängen, Picknick im Grünen und den ersten Erntedurchgängen im eigenen Garten ein. Und er lädt ein, sich in einem stillen Moment mal mit der Frage zu beschäftigen:
Wo kann ich von Herzen dankbar sein, dass ich vor den unliebsamen Seiten der Natur so gut geschützt bin – weil ich in einem wind- und wasserfesten Haus lebe, Lebensmittel einfach einkaufen kann und nicht darauf angewiesen bin, dass die Schnecken im eigenen Garten genug übrig lassen, oder weil ich bei Sturm und Regen zu Hause bleiben oder ins Auto steigen kann?
Wo würde es mich dankbarer machen, wenn ich die Schutzwälle ein wenig reduziere – wenn ich die wasserfesten Funktionsschuhe mal ausziehe und barfuß über die Wiese laufe, mir vornehme, eine Woche oder ein paar Monate bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, Obst und Gemüse öfter beim Bauern und seltener in Plastik verpackt im Supermarkt zu kaufen?