Zum September

Am 21. September beginnt der Herbst. Fast hat man in diesem Jahr den Eindruck, der Sommer endet, bevor er so richtig begonnen hat. Viel Regen und wenige heiße Tage gab es bei uns – während in anderen Regionen auf dem Globus Hitzewellen und Waldbrände auf der Tagesordnung standen. Die vielen Niederschläge forderten nicht nur die Funktionsklamotten der Wanderer und Fahrradfahrer heraus – auch Landwirte müssen auf das Wetter reagieren. Besonders Kartoffeln leiden, denn bei feuchter Witterung vermehrt sich die Krautfäule besonders gut – eine Pilzkrankheit, die genau nach dem benannt ist, was sie bewirkt: Das Kraut der Kartoffel fault ab. Die Erreger können sich auch auf die Knollen ausbreiten, was aber nicht immer der Fall ist.
Im 19. Jahrhundert hat die Krautfäule in Irland und in anderen Ländern Europas Hungersnöte ausgelöst. Das geschieht heute nicht mehr, denn es gibt synthetische Mittel gegen die Erreger. Und es gibt Kupferpräparate, die ähnlich wirksam sind und auch im biologischen Anbau zugelassen sind. Allerdings sind die Kupfer-Mengen gesetzlich begrenzt, die ein Bio-Bauer jährlich zum Schutz seiner Kartoffeln ausbringen darf. In einem Sommer wie diesem kann es sein, das Kontingent ist erschöpft, bevor das Regenwetter aufhört und der Erntezeitpunkt gekommen ist. Dann bleibt einem Bio-Bauern wenig anderes übrig als zuzulassen, dass das Kraut etwas früher als gewünscht abstirbt und die Ernte mehr oder weniger deutlich unter der erwarteten Menge bleibt. Vielleicht kann er dann in Ansätzen nachfühlen, wie es den Bauern vor knapp 200 Jahren ging, die der Krautfäule nichts entgegen zu setzen hatten und tatenlos zusehen mussten, wie die Ernte, die eigentlich die Nahrungsgrundlage für den Winter sein sollte, auf einen Bruchteil zusammenschrumpft.
Der Herbstbeginn ist seit jeher ein Tag der Dankbarkeit – für alles, was den Sommer über gewachsen ist: Kartoffeln, Getreide und viele andere Lebensmittel, wie auch Erfahrungen und Erinnerungen an schöne Tage, auf Reisen oder daheim. Und wenn man zurückblickt auf die krautfäulebedingten Hungersnöte… macht es auch Sinn, all die in der Zwischenzeit entwickelten Strategien zum Schutz der Pflanzen dankbar zu würdigen, die uns auch in einem vielerorts verregneten Jahr wie diesem eine gute Ernte sichern. Für manche ist es klar, für andere ausgeschlossen – für viele Menschen dürfte es in diesem Zusammenhang eine spannende Frage sein: Kann ich dankbar sein für synthetische Pflanzenschutzmittel?