Glückliche Kälber in der Hottenlocher Hofgemeinschaft

50 Milchkühe leben auf dem Hottenlocher Hof. Ein Teil der Milch geht an die Molkerei, ein Teil wird direkt hier im Bodenseehinterland bei Stockach zu Käse verarbeitet.
Nur eine Kuh, die jedes Jahr ein neues Kalb zur Welt bringt, gibt regelmäßig Milch. Das ist für die moderne Milchviehhaltung ein Dilemma: Für die Milchproduktion braucht es ein Kalb im Grunde nur als Hormonschubs für die Kuh, dass sie Milch produziert. Ein Kalb ist aber eben keine Hormonspritze, sondern ein eigenständiges Lebewesen, mit eigenen Anforderungen an Haltung und Vermarktung. Denis Hahn, einer der Betriebsleiter der Hottenlocher Hofgemeinschaft, erklärt: „Rein betriebswirtschaftlich gerechnet ist für uns jedes Kalb, das unmittelbar nach der Geburt krank wird und stirbt, ein Vorteil.“ Das klingt herzlos, ist aber eine Tatsache, die im Gesamtkunstwerk unserer Gesellschaft begründet liegt, und nicht der Betriebsführung.

Wirtschaftlichkeit ist nicht alles. Darin sind sich Daniela und Alexandra Zulic und Denis und Kristin-Marlen Hahn, die den Hottenlocher Hof gemeinsam bewirtschaften, alle einig. Bewusst verzichten sie auf einen maximalen Betriebsgewinn, damit Kühe und Kälber ein gutes Leben haben.
Das Leben eines jeden Kalbes beginnt hier bei seiner Mutter. Die ersten zwei Wochen verbringen Mutter und Kalb Seite an Seite. Danach wird das Kalb einer Ziehmutter zugeordnet, einer so genannten Amme. Jede Amme kann 2-3 Kälber mit Milch versorgen. Für die 50 köpfige Milchviehherde bedeutet das: Etwa 15 Kühe werden nicht gemolken; sie leben mit ihren Adoptivkälbern in einer separaten Herde. Im Alter von etwa einem halben Jahr beginnt für die Kälber ein neuer Lebensabschnitt: Ein Teil der weiblichen Kühe wandert in die betriebseigene Jungviehherde, bis sie alt genug ist, um selbst ein Kalb zu gebären und Milch zu geben. Alle anderen kommen in den Mastviehstall, wo sie bis zum Alter von etwa 2 1/2 Jahren gefüttert und dann geschlachtet werden. Auf dem Hottenlocher Hof kann man auf Bestellung Fleisch dieser Tiere direkt kaufen, wie auch Käse und Wurst.
Was nach einem einleuchtenden Betriebsmodell klingt, ist alles andere als selbstverständlich. Vielen Bauernhöfen, die sich auf Milchvieh spezialisiert haben, fehlen die Kapazitäten, zusätzlich eigene Masttiere zu halten; sie verkaufen ihre Kälber im Alter von 2-3 Wochen. Auch ist es den neu geborenen Kälbern nur auf wenigen Höfen vergönnt, mehr als ein paar Tage bei der Mutter zu bleiben. In der Regel werden die Mütter direkt nach der Geburt ihres Kalbes wieder regulär gemolken; die Kälber werden separat im Kälberstall gehalten und mit dem Eimer getränkt – je nach Betrieb in Einzelboxen oder mit mehreren Altersgenossen zusammen.
Noch sind alternative Verfahren in der Kälberhaltung so selten, dass es kein einheitliches Label gibt, wie es beispielsweise für Bio-Erzeugung oder Weidehaltung längst üblich ist. Die Hottenlocher Hofgemeinschaft erhält von der Molkerei die pauschalen Preise für Bio-Milch nach Demeter-Richtlinien ausbezahlt. Beim Verkauf von Milch-und Fleischprodukten ab Hof oder an Einzelhändler vor Ort haben sie die Möglichkeit, Preise zu verlangen, welche die Kosten decken. Und doch – Daniela Zalic betont: „Wir halten unsere Tiere so, weil sich das für uns ethisch richtig anfühlt. Finanziell würden wir auch innerhalb der Demeter-Richtlinien mit anderen Verfahren wie etwas der Kälberaufzucht in Gruppen günstiger dastehen.“
So entscheidet jeder Landwirt im Rahmen seiner Möglichkeiten, wo seine Balance zwischen Tierwohl und Wirtschaftlichkeit liegt. Und jeder Verbraucher entscheidet dies genauso – durch seinen Einkauf.

Bildnachweis: Katja Brudermann