Agriphotovoltaik – die Zukunft für den Obstbau?

Es gibt sie noch, im Bodenseegebiet und anderswo in unserem Land: Die weitläufigen Streuobstwiesen, auf denen in gebührlichem Abstand zueinander große und altehrwürdige Hochstammbäume frei in den Himmel wachsen. Doch die Äpfel, die wir in Supermärkten oder auch in Bauernläden und an Verkaufsständen kaufen, wachsen nicht hier. Sie gedeihen in intensiven Anlagen, in denen die Bäume in dichten Reihen stehen und Wetter und anderen Zufällen so wenig wie möglich ausgesetzt sind, damit jeder einzelne Apfel so genau wie möglich den Vorstellungen eines perfekten Apfels entspricht. An den Anblick von Obstbaumanlagen, die mit Dächern oder Netzen vor Regen und Hagel geschützt sind, haben wir uns also schon ein bisschen gewöhnt.
Wäre es nicht schlau, diese ohnehin wichtigen Schutzeinrichtungen gleich noch mit Solarmodulen zu bestücken? Dann hätten nicht nur die Früchte ein Regendach, sondern die Obsterzeuger zugleich noch eine weitere Einnahmequelle, nämlich durch den Verkauf von hier gewonnenem Strom.
Ob die Idee der Agriphotovltaik sich in der Praxis bewährt, wird gerade an zwei Orten am Bodensee getestet: Am Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee in Bavendorf und auf dem Obsthof Bernhard in Kressbronn wurden Versuchsanlagen aufgebaut. Sie sind eingebettet in die Modellregion Agri-Photovoltaik Baden-Württemberg. In diesem großflächigen und interdisziplinären Forschungsprojekt gibt es viele spannende Fragen zu klären:Wie viel Prozent der Dachfläche sollte mit Solarzellen bestückt sein und welcher Anteil muss durchsichtig bleiben, dass die Pflanzen noch genug Licht bekommen?
Bewähren sich fest montierte Dächer oder bewegliche, die im Verlauf des Tages ihren Winkel zum Sonnenlicht kontinuierlich anpassen?
Wie entwickelt sich das Klima? Überwiegen die Tage, an denen die Schatten der Solarzellen die Obstbäume vor Überhitzung und Sonnenbrand schützen, oder überwiegt die Konkurrenz ums Sonnenlicht, wenn die Bäume unter den Solarpanels nicht mehr genug abbekommen, um die volle Süße und Farbe in die Früchte zu schicken?
Welche Preise müssen der Strom und die Äpfel unter den Dächern erzielen, dass die Kombination aus Apfelanbau und Stromerzeugung für den Flächenbesitzer wirtschaftlich interessanter ist als eine reine Photovoltaikanlage? Oder eine reine Apfelanlage?
Und schließlich: Wie verändert sich eine Landschaft, in der die Agri-Photovoltaik zur gängigen Methode wird? Unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang sollten Anlagen genehmigt werden?
Wie alle neuen Ideen steckt auch die Agri-Photovoltaik voller Möglichkeiten und voller Fragezeichen. Sie ist sicher nicht die perfekte Antwort auf alles. Aber sie zeigt doch auf, dass wir Menschen ganz schön viele verschiedene Aspekte in der Landschaft, die uns umgibt, unterbringen wollen: Lebensmittelproduktion, Energiegewinnung, Wirtschaftlichkeit, Schönheit, Ursprünglichkeit und Erholungswert – nur um ein paar Beispiele zu nennen.