Der Überlinger Weltacker oder: Die Welt auf 2.000 Quadratmetern

Rund 1,5 Milliarden Hektar Ackerfläche gibt es aktuell auf unserem Planeten, und rund 7,8 Milliarden Menschen. Beide sind Größenordnungen, die wir uns kaum vorstellen können. Doch wenn man die Ackerfläche gleichmäßig auf alle Menschen aufteilt, dann wird es ganz schön übersichtlich: Es ergibt sich eine Fläche von knapp 2.000qm, die rein rechnerisch betrachtet jedem Menschen zur Verfügung steht.
Genau diese Fläche von 2.000qm ist auf dem Weltacker am Ortsrand von Überlingen-Andelshofen abgemessen, und in den Anteilen, wie Ackerfläche derzeit weltweit genutzt wird, bepflanzt: Knapp die Hälfte ist mit Getreide bestückt. Davon machen Weizen, Reis, Mais und Hirse rund 90% aus. Der Rest verteilt sich auf insgesamt rund 300 verschiedene Getreidearten, zum Beispiel Dinkel, Emmer, Gerste oder Triticale. Nur knapp die Hälfte der weltweiten Getreideernte fließt direkt in die menschliche Ernährung. Ein gutes Drittel wird an Tiere verfüttert und knapp 20% dienen der Energiegewinnung, beispielsweise in Biogasanlagen. Darüber hinaus wachsen Sojabohnen, Kartoffeln und andere Wurzelfrüchte, Ölpflanzen wie die Ölpalme oder hierzulande der Raps, Obst, Gemüse und Baumwolle auf den weltweiten Ackerflächen und, soweit es das Klima erlaubt, auch auf dem Überlinger Weltacker.
Acker“fläche“ beschreibt das, was einen Acker ausmacht, nur bedingt. Das Bodenprofil, das auf dem Gelände angelegt ist, macht deutlich: Der eigentliche Ackerboden, der das Wachstum von Nutzpflanzen ermöglicht, befindet sich unter die Erdoberfläche. Je nach Standort und Beschaffenheit reicht die Bodenschicht, die durchwurzelt, belebt und mit organischer Substanz angereichert ist, wenige Zentimeter bis zu mehreren Metern in die Tiefe. Im Verhältnis zur Erde insgesamt mit ihrem Durchmesser von rund 12.000 km ist die fruchtbare Erdschicht nicht mehr als eine dünne Haut.
Jedem, der den Weltacker besucht, sei ein Rundgang auf eigene Faust wärmstens empfohlen, mit allen Sinnen auf Empfang geschaltet, um die Flächen, die Dimensionen, die Bedeutung dieser Fläche auf sich wirken zu lassen: So sieht das Stück Erde aus, das mir zur Verfügung stünde, wenn jeder Mensch auf diesem Planeten gleich viel Fläche zugeteilt bekäme.
Ist die Fläche zu klein, um einen Menschen zu ernähren? Oder zu groß, um sie ohne Hilfe zu bewirtschaften?
Eine Führung übers Gelände dauert etwa anderthalb Stunden und gibt einen Einblick in unzählige Themen, die mit der globalen Landwirtschaft zusammenhängen. Wenn es einzig darum geht, eine ausgewogene Ernährung bereitzustellen, dann reicht die Fläche locker für einen Menschen: Beispielsweise erntet man auf 1.000 qm etwa 500 kg Reis – von 1,37 kg täglich wird ein Mensch mehr als satt, und es bleibt noch genug Fläche für die Beilage. Je mehr Fläche man nun für Biodiesel, nachwachsende Rohstoffe, Baumwolle und auch Tierfutter verwendet, und je mehr Lebensmittel nicht verzehrt sondern aus verschiedensten Gründen weggeworfen werden, desto fragwürdiger wird, ob die vorhandene Ackerfläche für alle Menschen ausreichen kann. Eine intensive Landwirtschaft erreicht kurzfristig höhere Erträge und schafft damit mehr Spielräume, neben Lebensmitteln eben auch nachwachsende Rohstoffe anzubauen. Landwirtschaftliche Techniken, die den Boden schonen und langfristig fruchtbarer machen, sorgen für etwas niedrigere, aber dafür langfristig gesehen stabile Erträge, und senken den Rohstoffverbrauch, der für die Bewirtschaftung anfällt, da ein humusreicher, tief durchwurzelter Boden mit weniger Schlepperfahrten und mit weniger Mineraldünger auskommt.
Der Weltacker ist ein Lernfeld. „Wir versuchen hier eine andere Art von Lernen zu ermöglichen“, erklärt Benjamin Fäth, der das Überlinger Projekt initiiert hat, „es geht nicht darum zu vermitteln, was richtig und was falsch ist. Wir wollen vielmehr einen Blickwinkel auf die Landwirtschaft auftun, der für Verbraucher und Erzeuger gleichermaßen neu ist und zum Fragen nach politischen und persönlichen Handlungsspielräumen anregt.“
Anfahrt & Öffnungszeiten: Das Gelände befindet sich am Ortsausgang vom Überlinger Ortsteil Andelshofen direkt an der B31n und ist täglich von 8-20 Uhr geöffnet. Von Dienstag bis Sonntag je um 16 Uhr gibt es eine öffentliche Führung. Ein Weltacker in Kleinformat mit Einblick auf eine damit verbundene Themenauswahl kann zudem auf dem Gelände der Landesgartenschau besichtigt werden. Weitere Informationen unter www.ueberlinger-weltacker.de

Bildnachweis: Weltacker Überlingen