Vom (Apfel)baum in den Obstkorb

Die Reise eines Apfels vom Baum in den Mund eines Menschen kann sehr schlicht sein: Er wächst im Garten, an einem Baum, der gelegentlich geschnitten und mit Kompost gedüngt wird. Wenn er reif ist, pflückt ihn der Gartenbesitzer und beisst sogleich herzhaft hinein….
Vielleicht macht der Apfel aus dem Garten auch eine Zwischenlandung im Obstkorb und trifft dort auf andere Äpfel. Die Unterhaltung im Obstkorb sei im Folgenden frei übersetzt…

Apfel 1: I hob garrantirrt die moastn Sonnenstundn intus, i bin von Südtirrol.
Apfel 2: Dafür hescht au an die 500 Kilometer im LKW hinter dir, und ich nur 30.
Apfel 1: Und warum sigscht dann so schrumplig us?
Apfel 2: I lag halt e Weili indr Auslaag vom Supermarkt, und dann noch gute zwei Woche hier im Obschtkörble. Und du – warum hesch du so knallrote Bäckle, des isch doch au net natürlich, oder?
Apfel 1: Doch scho. Moi Gschwister vom selbe Baum, die net so rot sinn wie I, die sind nur aussortiert wohre. Nur´d scheenste wie ich sind in´d Premium-Tüten verpackt worre. Und du? (wendet sich an den Gartenapfel): Von Scheenheit kemma bei dirr nid sprrechn. Woas host dann do füran Flatschn?
Gartenapfel (etwas geknickt): Schorf…
Apfel 1 und 2 im Chor: Igitt!!! Des hättma doch wegspritzn könne!!!
Apfel 3 (mischt sich neu ins Gespräch ein): Mmmmmirrrr iiiiisst sooooouuuu cooooouuuulllld!!!
Die drei anderen Äpfel im Chor: Was ist denn mit dir los? Wo kommst denn du her?
Apfel 3: Iiiiich coooommmme frrrrrooomm Neu-Zzzzzea-Lllaaaand. 4 Monate war ich in eine Kühl-Lager eingesperrrrt. Brrrrrr!!!!
Dem Gespräch unter Weltenbummlern im Obstkorb ließe sich noch eine ganze Weile weiter lauschen. Aber vielleicht haben Sie ja bereits jetzt eine Präferenz, zu welchem Apfel Sie am liebsten greifen würden?
Aus verschiedenen Blickwinkeln lassen sie die Geschichten der Äpfel betrachten:

Frische: Hier ist der Gartenapfel unschlagbar – allerdings nur während der Erntezeit, je nach Sorte liegt sie zwischen Ende Juli und Ende November. Danach hängt die „gefühlte Frische“ eines Apfels davon ab, wie er gelagert wurde. Früher hat man Äpfel im kühlen und feuchten Keller gelagert. Heute gibt es moderne Kühllager. In Sauerstoff-reduzierter Atmosphäre werden die Stoffwechselprozesse, die einen Apfel im Lauf der Zeit erst schrumpelig und bräunlich und später faulig oder schimmelig werden lassen, sehr stark verlangsamt. Allerdings: Manch alte Sorte gewinnt bei Keller-Lagerung an Aroma. Und Äpfel, die über längere Zeit im Kühllager bleiben, müssen eine Nuance vor der optimalen Genussreife geerntet werden, damit sie möglichst lange halten.
Innere versus äußere Qualität: Moderne Sortieranlagen machen es möglich: Die perfekt ausgefärbten, kugelrunden und angenehm großen Äpfel werden von den etwas vom Optimum abweichenden Äpfeln getrennt verpackt und vermarktet. Ein Apfel mit Schorfflecken oder einer anderen Unebenheit hat in den überregionalen Vermarktungsschienen keine Chance. Dabei haben alte Apfelsorten, die per se nicht so gleichmäßig wachsen, oftmals vielschichtigere Aromen vorzuweisen als die Standardsorten. Ein naturnaher Anbau mit sparsamen Einsatz von Dünger und anderen Pflegemaßnahmen kann die charakteristischen Aromen zusätzlich intensivieren.
Klimaschutz: An sich hat ein Apfel eine günstige CO2-Bilanz, denn all die Monate, in denen der Apfel heranreift, hat der Apfelbaum CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und Sauerstoff freigegeben. Doch jede Kulturmaßnahme, jede Schlepperfahrt über die Anbaufläche, jede gekühlte Lagerung, jeder Transportweg – sei er vom Acker zum Hof, vom Hof zum mehr oder weniger weit entfernten Supermarkt und von dort im Auto des Kunden nach Hause – setzt CO2 frei, so dass die meisten Äpfel beim Verzehr längst nicht mehr als klimaneutral einzustufen sind.

Unser Tipp: Probieren Sie doch mal alte Sorten, die gibt’s selten und am ehesten auf Wochenmärkten oder direkt beim Bauern. Und in Sachen Ökobilanz: Diese verbessert sich maßgeblich, wenn Sie Ihren Einkauf mit dem Fahrrad tätigen;)

Bildnachweis: Katja Brudermann