Kleine Getreidekunde

An einem reifenden Getreidefeld vorbeizulaufen ist eine Freude. Die goldgelben Ähren, das Rascheln im Wind, vielleicht auch ein paar vereinzelte blaue Kornblumen oder roter Klatschmohn dazwischen vermitteln ein Gefühl von Sommer und Ferienzeit. Getreidefelder erinnern auch daran, dass unser täglich Brot nicht im im Backwarenregal von allein entsteht, sondern hier auf der Erde wächst.
Wissen Sie eigentlich, welches Getreide an Ihrem Wegesrand steht? Die vier traditionellen Getreidearten sind Weizen, Rogge, Gerste und Hafer. Diese lassen sich recht leicht unterscheiden:
Weizen hat eine kompakte Ähre mit keinen oder nur sehr kurzen Grannen – so heißen die haarartigen Verlängerungen an jedem Korn. Die reifen Ähren haben eine goldgelbe Farbe.
Roggen hat deutlich längere Grannen als der Weizen, und die Körner sind gelb mit grauer Note.
Auf einem Gerstenfeld stechen die Grannen, die länger als die Ähre selbst sein können, sofort ins Auge. Die Körner in der Ähre sitzen deutlich lockerer als bei Roggen und Weizen.
Der Hafer wächst in Rispen und nicht in Ähren. Die Körner hängen wie Glöckchen an den verzweigten Halmen.
Der Mais mit seinen hohen Pflanzen und charakteristischen Kolben hat ebenfalls einen nennenswerten Anteil an deutschen Getreideflächen. Wie Triticale – eine Kreuzung aus Weizen und Roggen – wird er vor allem als Tierfutter verwendet. In kleinerem Umfang werden auch so genannte Urgetreide angebaut – Dinkel, Einkorn und Emmer. Dinkel hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Weizen; auch er hat keine nennenswerten Grannen. Doch während die Weizenkörner dicht an dicht in der Ähre stehen, ist beim Dinkel jedes einzelne Korn in eine gut erkennbare Hülle eingepackt: die Spelze. Eine Einkorn-Ähre erinnert an einen wunderschön geflochtenen Zopf. Die Farbe ist näher am Weizen, die Grannenlänge ist eher wie beim Roggen. Der Emmer zeichnet sich durch seine markanten grasgrünen Grannen aus, die beim Reifen eine schwärzliche Färbung annehmen.
Allen Urgetreidearten ist eine geringe züchterische Bearbeitung gemein. Die Erntemengen sind bei den modernen Getreidearten deutlich höher – entsprechend lassen sich die Urgetreide-Ähren auch allesamt daran erkennen, dass sie weniger und kleinere Körner tragen.
Alles hat seine zwei Seiten – so auch die intensive Züchtungsarbeit an den Haupt-Getreidearten in der jüngeren Vergangenheit. Zentrale Zuchtziele waren und sind hohe Erträge und teils auch eine Resistenz gegen bestimmte Herbizide. Dank der Züchtungserfolge kann ein Hektar Hochleistungsweizen weit mehr Menschen mit Kalorien versorgen als ein Hektar Emmer. Ein Aspekt, der bei der stetig wachsenden Weltbevölkerung nicht von der Hand zu weisen ist. In den Urgetreidesorten sind andere wertvolle Eigenschaften bewahrt, die moderne Sorten gerade durch die intensive Züchtung zumindest partiell verloren haben. Dazu zählt die Fähigkeit, auch unter widrigen Umständen noch passable Erntemengen hervorzubringen, und – nicht für alle, aber doch für viele Menschen – eine bessere Verträglichkeit.
Familie Müller in Allensbach-Kaltenbrunn beschäftigt sich übrigens seit vielen Jahren mit dem Anbau verschiedener alter Getreidesorten – wer Produkte und Informationen rund um Emmer, Einkorn und Dinkel sucht, der wird hier fündig:
Hofladen Familie Müller, Müllerhof 1, 78476 Allensbach-Kaltenbrunn, Tel: 07533-5729, www.biohof-mueller.com, geöffnet Mittwochs von 9-12 Uhr und von 16-18 Uhr, Freitags von 9-18:30 Uhr.