Rindfleisch und Rindfleisch

Immer mehr Verbraucher entscheiden sich dafür, lieber weniger Fleisch zu essen, dafür aber hochwertiges. Aber was genau bedeutet hochwertig? Dass die Tiere artgerecht gehalten wurden und möglichst aus der näheren Umgebung stammen? Dass sie bis zu ihrem Tod ein in irgendeiner Form glückliches Leben hatten?
Tiere aus Mutterkuhhaltung sind aus diesem Blickwinkel beliebt, und das nicht zu unrecht: Eine Herde aus Kühen und deren Kälbern lebt gemeinsam, in der Regel im Winter in einem geräumigen Laufstall und im Sommer auf der Weide. Die Jungtiere bleiben ihr ganzes Leben bei ihren Müttern und Altersgenossen und führen ein unbeschwertes Dasein, bis sie im Alter von rund einem Jahr geschlachtet werden. Zudem sind Mutterkuhherden wunderbar geeignet, steilere und schwer zugängliche Weiden im Bodenseehinterland abzuweiden. So tragen sie zum Erhalt der Landschaft bei, wie Gäste und Einheimische sie lieben: eine bunte Mischung aus Feldern, Wiesen und Wäldern.
Die Mutterkuhhaltung haben viele Landwirte als Alternative zur Milchviehhaltung entdeckt – die Gewinne aus der Milcherzeugung waren nicht zufrieden stellend und die Verpflichtung der täglichen Melkzeiten fiel weg. Die Gesamtmenge in Deutschland produzierter Milch nahm in den letzten zehn Jahren dennoch leicht zu, was auf die Vergrößerung der verbleibenden Betriebe und auf die Verlagerung in andere, weniger bergige Regionen zurückzuführen ist. Doch die Aufteilung der Betriebe in Milchvieh- und Mutterkuhhalter birgt Ungleichgewicht, das erst in den letzten Jahren verstärkt in das Bewusstsein von Landwirten und Verbrauchern sickert: Ursprünglich war die Milchviehhaltung in sich schlüssig: Jede Kuh, die Milch gab, brachte jedes Jahr ein Kalb zur Welt, das wiederum der Fleischversorgung diente – in der eigenen Familie, in der Region oder auch in größeren Vermarktungsstrukturen. Während das Fleisch aus Mutterkuhhaltung vielen Orts direkt ab Hof oder in der näheren Umgebung vermarktet wird, haben die Kälber aus den Milchviehherden einen zunehmend schweren Stand. Die auf hohe Milchleistung gezüchteten Rassen setzen wenig Fleisch an, und die Moral von der Geschichte: Nicht wenige Milchviehkälber werden für einen Apfel und ein Ei ins Ausland verkauft.
Mancher Landwirt, der sich für regionale Wirtschaftskreisläufe engagiert, stellt sich die Frage: Kann ich nicht, statt eine eigene Mutterkuhherde aufzubauen, mit Milchviehbetrieben kooperieren, deren Kälber mästen und deren Fleisch in der Region vermarkten? Es gibt Kooperationen dieser Art. Die Voraussetzung für die erfolgreiche Mast von Milchviehkälbern ist, dass die Milchviehhalter von ihrer strengen Ausrichtung auf maximale Milchleistung ein wenig abrücken. Sie haben die Möglichkeit, mit so genannten Zweinutzungsrassen zu arbeiten – Fleckvieh oder auch Hinterwälder haben eine passable Milchleistung und eine passable Eignung als Masttiere. Oder sie decken ihre Hochleistungs-Milchkühe mit einem Bullen einer Fleischrasse – dann sind die Kreuzungs-Kälber ausschließlich zum Mästen geeignet. Die eigene Milchvieh-Herde wird dann bei Bedarf mit zugekauften Jungtieren einer Milchrasse aufgestockt und nicht wie sonst üblich mit Tieren aus eigener Nachzucht.
Ein viel glücklicheres Leben als in einer Mutterkuhherde kann ein junges Rind wohl kaum haben, und für ein Kalb aus einer Milchviehherde gibt es wenig sinnvolleres als artgerecht und in der Region großgezogen und vermarktet zu werden. Für welche Haltungsform man sich beim Sonntagsbraten entscheidet, oder ob man lieber gleich ein Tofuschnitzel brät, ist also ein gutes Stück weit Geschmackssache. Doch es bleibt eine Tatsache: Jedes Stück Fleisch auf dem Teller war zuvor ein Tier, das sein Leben unter bestimmten Bedingungen verbracht und seinen Platz im Gesamtgefüge der Lebensmittelerzeugung eingenommen hat. Sich beim Einkauf darüber zu informieren ist eine Möglichkeit, diese Tatsache zu würdigen. Viele Supermärkte bieten inzwischen regionales Fleisch mit nachvollziehbarer Herkunft an – noch unmittelbarer ist der Einblick in die Haltungsform beim Einkauf direkt beim Landwirt.