Zum Juni

Die Spargelzeit ist noch im vollen Gange. Das weiße Gemüse ist beliebt, klassisch mit Sauce Holandaise, oder auch in anderen Variationen. Übrigens: Die Spargelstangen sind weiß, weil sie geerntet werden, kurz bevor sie das Erdreich durchbrechen. Helfer in der Spargelernte brauchen geübte Augen, denn sie müssen die kleinen Beulen auf der Erde erkennen, wo sich das unterirdische Wachstum der Spargelstangen ankündigt. Genau hier gilt es mit einem Spargelstecher die Stangen unterirdisch durchzuschneiden und aus der Erde zu bergen. Grüner Spargel dagegen wird zu einem späteren Zeitpunkt geerntet – wenn die Stangen bereits ein gutes Stück aus dem Boden ragen. Sobald sie Sonnenlicht abbekommen, färben sie sich grün. Sie sehen dann etwas weniger edel aus, haben allerdings durch die Lichteinwirkung bereits mehr Aroma- und Nährstoffe ausgebildet. Es lohnt sich also, beide Varianten zu kosten.
Traditionell endet die Spargelsaison zu Johanni, am 24. Juni. Es ist beim Spargel nicht so wie bei Äpfeln, wo die Ernte abgeschlossen ist, weil die Früchte reif sind und nichts mehr nachwächst. Die Spargelpflanze würde von sich aus den ganzen Sommer über immer weiter weiße Stangen aus ihren Wurzeln wachsen lassen, die man theoretisch immer weiter ernten könnte. Allerdings zeigt die Erfahrung: Es ist gut, die Pflanze ab Johanni ruhen zu lassen. Die weißen Stangen können dann an die Oberfläche wachsen und zu grünen Büscheln werden, die man gelegentlich auf Feldern sehen kann. In der erntefreien Zeit sammeln die Spargelpflanzen ihre Kräfte und lagern Nährstoffe in ihren Wurzeln ein; aus diesen Reserven können sie im nächsten Frühjahr wieder neue Spargelstangen hervorbringen.
Was im Spargelanbau standardmäßig so gehandhabt wird, ist ein sehr einfaches Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften: Man erntet nicht so viel, wie aktuell möglich ist, sondern nur so viel, dass die Pflanze genug Zeit zur Regeneration hat und so über viele Jahre hinweg stabile Erträge generiert. Es macht Sinn, aus diesem Beispiel heraus einmal den eigenen Alltag zu betrachten: Nachhaltiger Umgang kann mit den eigenen Ressourcen geübt werden – mit der eigenen Gesundheit, der eigenen Leistungsfähigkeit, oder auch mit den Ressourcen der Allgemeinheit – mit sauberer Luft und sauberem Wasser, mit dem Einkauf von Konsumgütern. Zu diesen Fragen regt der Spargel beispielsweise an:
• Wie viel Konsumgüter kann ich jetzt einkaufen? Und wie viel würde ich einkaufen, wenn ich die weitere Zukunft mit einbeziehe, in der all diese Güter auch
wieder nachproduziert und irgendwann auch entsorgt werden müssen?
• Wie viele Stunden täglich kann ich jetzt vor dem Computer oder Smartphone verbringen – und wie viele Stunden wären gut mit dem Ausblick, das auch noch
ein paar Jahrzehnte gesund und munter weiter machen zu können?
• Wo ist mein Alltag so eng getaktet, dass für nachhaltiges Denken gar kein Platz ist? Und wo sehe ich Spielräume? Was ist gut, so wie es ist, und was möchte
ich ändern?